Über die ersten urkundlichen Erwähnungen des Ortes Satzvey

[Klaus Krüger, Erstveröffentlichung in der SSC-Vereinszeitung]

Satzvey – Wohnsitz an der Vey

Die Zuordnung der ersten feststellbaren schriftlichen Belege, die die Ortschaft Satzvey erwähnen, bereitet einige Schwierigkeiten. Sie liegen darin begründet, dass mehrere frühere Urkunden überliefert sind, die Fei, Feia, Vey oder Veye nennen, ohne erkennen zu lassen, welche von mehreren der den Feybach oder Veybach begleitenden Orte, nämlich Urfey, Eiserfey, Burgfey, Katzvey, Satzvey und Veynau konkret bezeichnet sein soll.

Urfey, Burgfey, Katzvey und Veynau lassen sich als in der frühen urkundlichen Überlieferung erwähnte Örtlichkeiten mit großer Sicherheit deshalb ausschließen, weil sich in ihrem unmittelbaren Umfeld in späterer Zeit kein klösterlicher Besitz vorfindet. Dies ist nur bei den heutigen Orten Eiserfey und Satzvey der Fall.

Villa Feia der Prümer Abtei: Eiserfey oder Satzvey?

So nennt die Abschrift einer im „Goldenen Buch“ der Abtei Prüm überlieferten Urkunde König Lothars II. vom 20. Januar 867 neben einer größeren Zahl von Ortsnamen eine „villa Feia“. Im Prümer Urbar, das unter Abt Regino im Jahr 893 zur Verzeichnung aller Besitzungen der Abtei angelegt wurde, erscheint ein Ort in der Namensform „Veye“. Es kann kaum zweifelhaft sein, dass sich diese beiden Angaben auf ein und dieselbe Örtlichkeit beziehen, weil in der Urkunde von 867 und im Urbar von 893 jeweils die Abtei Prüm als Inhaberin von dort gelegenem Besitz bezeichnet ist.

Nach 893 verschwindet während der nächsten rund 270 Jahre der Örtlichkeitsname „Feia“ und „Veye“ aus der urkundlichen Überlieferung. Erst in der Mitte des 12. Jahrhunderts taucht er in einer Liste der Rückerwerbung von Gütern und Rechten, die der damaligen Äbtissin des Stiftes Dietkirchen bei Bonn gelang, in der Form von „Veie“ wieder auf. Das Stift Dietkirchen gelangte damals wieder zu vorher entfremdeten Besitz, unter anderem auch zu einem Hof an diesem Ort “Veie”.

Mit diesem Stift Dietkirchen, das beweist die Überlieferung aus späterer Zeit, waren Herrschaft und Kirche in Satzvey ein halbes Jahrtausend lang verbunden. Das in der Mitte des 12. Jahrhunderts genannte „Veye“ kann daher nur die später „Satzvey“ benannte Örtlichkeit sein.

Wegen der langdauernden Beziehung des Ortes und seiner Bewohner zum Stift Dietkirchen, sei dessen Geschichte hier kurz umrissen.

Benediktinerinnenkloster und adliges Damenstift Dietkirchen

Das Stift Dietkirchen tritt im Jahre 1015 in einer Urkunde Kaiser Heinrichs II. in Erscheinung. Sie spricht von einem Nonnenkloster, das außerhalb der Bonner Stadtmauern vor dem Kölntor bei der ältesten Bonner Pfarrkirche, der Dietkirche (= Volkskirche) entstand. Kloster und Gotteshaus gründeten auf dem Boden eines römischen Lagers. Bisher konnten weder von der Kirche noch vom Kloster der Gründungszeitraum ermittelt werden. Als gesichert kann nur gelten, dass die Kirche schon vor dem Jahre 800 entstand. Möglicherweise reicht sie mit ihren Anfängen gar in die römische Zeit zurück. In der Literatur wird heute die Meinung vertreten, die Gründung des Klosters könne nicht weit vor dem Jahre 1015 liegen.

Zweimal wurden die Kirchen- und Klosterbauten durch Kriegseinwirkung stark beschädigt. Als die Stadt Bonn im 17. Jahrhundert vor dem bebauten Bezirk stärkere Bastionen errichtete, bedeutete dies das Ende der Siedlung Dietkirchen mit Kirche und Kloster im Gebiet des ehemaligen Römerlagers. Die Gebäude wurden an anderer Stelle innerhalb der Stadtmauern wieder aufgebaut. 

Im Jahre 1802 wurde das adlige Damenstift infolge der französischen Gesetzgebung aufgelöst. Die alte Barockkirche musste 1879 einem neugotischen Bau weichen, der im letzten Krieg erhebliche Schäden erlitt. Die zweitürmige Kirche gegenüber dem Stiftsplatz wahrt das Andenken an das vormalige Damenstift, das aus dem älteren Benediktinerinnenkloster hervorging. Die Tradition des Stiftes Dietkirchen führt heute die Stifts-Pfarre Bonn weiter.

Rückerwerbung von Gütern aus Veye

Über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Stifts von seiner Gründung an bis etwa zur Mitte des 12. Jahrhunderts ist wegen der dürftigen Quellenlage nur wenig bekannt. Im 12. Jahrhundert wäre fast eine größere Anzahl Güter und Rechte des umfangreichen und weit gestreuten Klosterbesitzes verloren gegangen. Der tatkräftigen Äbtissin Irmintrud von Müllendonck gelang auf Veranlassung und mit Unterstützung des Kölner Erzbischofs Reinald von Dassel die zerrüttete Lage des Klosters wieder auf eine wirtschaftlich gesunde  Grundlage zu stellen. Sie konnte eine Anzahl „Güter und Gerechtigkeiten“, darunter auch Besitz in Veye, der dem Kloster entfremdet worden war, zurückerwerben. Die Liste dieser Rückerwerbungen gibt darüber Aufschluss. Sie bildet zugleich eine wichtige Quelle zur wirtschaftlichen Situation des Klosters Dietkirchen zu Beginn der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts.

Der Zeitpunkt und andere Einzelheiten des Erwerbs der Dietkirchener Besitzungen und Rechte in Veye (Satzvey) können nicht angegeben werden, weil die Urkunden aus der Gründungs- und Frühzeit des Klosters nicht erhalten blieben. Auch in den noch vorhandenen frühen Urkunden des Stifts, die im Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf aufbewahrt werden, finden sich hierzu keine Anhaltspunkte. Deshalb ist auch nicht mehr festzustellen, ob es sich bei dem Besitz in Veye um eine bei der Gründung, kurz nach dem Jahr 1000, dem Frauenkloster Dietkirchen zugewendete Schenkung handelt. Ebensowenig lässt sich sagen, ob der im Verzeichnis der Rückerwerbungen genannte Dietkirchener Besitz im benachbarten Antweiler und Billig aus der gleichen Schenkung herrührt. Dies lässt sich jedoch wegen der später erkennbaren engen kirchlichen Beziehungen zwischen Antweiler und Satzvey durchaus vermuten. Der oder die Schenkgeber sind ebenfalls unbekannt.

1166: erste gesicherte Nennung von Satzvey

Das Verzeichnis, der gesicherte schriftliche Erstbeleg für die Ortschaft Satzvey, ist zwar undatiert. Der Kölner Erzbischof Reinald von Dassel (1159-1167) weist jedoch in einer Urkunde aus dem Jahre 1166 darauf hin. In dieser verbietet er jeden weiteren Eingriff in die Güter und Rechte von Dietkirchen. Irmintrud von Millendonck, der die Rückerwerbungen – zum Teil unter Verwendung eigener Mittel – gelangen, ist als Äbtissin zwischen 1163 und 1175 urkundlich nachweisbar. Unabhängig davon wird das Verzeichnis von Fachleuten nach den Merkmalen der Schrift der Mitte des 12. Jahrhunderts zugeordnet.

So lässt sich trotz fehlender Datierung der Urkunde eine zeitliche Einordnung zwischen 1163, dem Jahr der Einsetzung der neuen Äbtissin, und dem Jahre 1166, in dem sich in der datierten Urkunde der Erzbischof mit dem Verzeichnis und mit den Rechten und Gütern von Dietkirchen befasste, eine zeitliche Einordnung vornehmen. Da das Verzeichnis der Rückerwerbungen mithin spätestens 1166 erstellt worden ist, kann man von diesem Jahr als Zeitpunkt der ersten gesicherten schriftlichen Nennung der Ortschaft Satzvey ausgehen.

„Villa Feia“ ist Eiserfey!

Weil nun die Äbtissin Güter und Rechte zurückerwarb, die dem Kloster „ungerechter- und nachlässigerweise entfremdet“ worden waren, müssen sie eine beträchtliche Zeit vorher bereits im Besitz des Klosters gewesen sein. Man wird annehmen können, dass die in dem Verzeichnis erwähnten Güter in Veye bereits im 11. Jahrhundert dem Kloster Dietkirchen gehörten. Seit diesem Zeitpunkt bestand die Beziehung zwischen dem Kloster Dietkirchen und Veye – später Satzvey genannt – über Jahrhunderte ununterbrochen und ohne jegliche grundherrschaftliche Konkurrenz fort.

Die Abtei Prüm kann deshalb im Jahre 1222 keine grundherrlichen Rechte besessen haben. 

Dieses Faktum liefert den Schlüssel dafür, die 867 genannte „villa Feia“ und das 893 genannte „Veye“ eindeutig zu identifizieren. Es kann nämlich keinem Zweifel unterliegen, dass das „Veye“, das im Kommentar zum Prümer Urbar von 1222 als Örtlichkeit von Besitzungen der Abtei Prüm genannt wird, identisch mit den vorgenannten ist und, auch aus dem Besitzzusammenhang der Abtei Prüm in diesem Gebiet, nur Eiserfey sein kann, was allerdings manchmal auch heute noch bestritten wird.

Verzeichnis der Rückerwerbungen im Wortlaut

Das Verzeichnis über die Rückerwerbungen füllt vier Seiten eines Pergamentbogens in Kleinfolio. Das Pergament hat derart durch Moder gelitten, dass die erlesene neugotische Schrift an mancher Stelle kaum noch oder nicht mehr lesbar ist. Die Eintragungen, die sich auf Satzvey beziehen, konnten glücklicherweise in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts noch durchgängig gelesen werden. Dies ist dem Abdruck des Verzeichnisses in der Zeitschrift für Archivkunde, Diplomatik und Geschichte, Band 1, herausgegeben von L.F. Hoefer im Jahre 1834 zu entnehmen. Die Satzvey betreffenden Passagen hatten danach folgenden Wortlaut:

„In Veie V. marcas plus solito.“
(In Veie 5 Mark und 1 Solidus = frühmittelalterliche Münze.)

„In festo S. Martini XIIII. solidos.“
(Am Feste des hl. Martinus -11. November- 14 Solidi.)

„In Medio maio XVI. solidos.“
(Mitte Mai 16 Solidi).

„In festo S. Remigii XII. maldra auenae XII. iornales, qui fuerunt abbati.“
(Am Fest des hl. Remigius -1. Oktober- 12 Malter Hafer <von> 12 Morgen, die dem Abt – damit ist wohl der im Verzeichnis vorher in Verbindung mit den in Antweiler zurückerworbenen Gütern und Rechten genannte Abt von Deutz gemeint – gehörten.)

„Mansus unus in Veie quem habebat Willehelmus.“
(Ein Hof in Veie, den Willehelmus hatte.)

„Duas Marcas plus solito persoluit pro defectu septimanae et dimidiae.“
(2 Mark und 1 Solidus bezahlte er wegen Fehlens von 1 ½ Wochen.)

Was mit dem letzten Satz gemeint ist, lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Offensichtlich aber handelt es sich um eine in Geld umgewandelte unterlassene Frondienstleistung, die im Zusammenhang mit der sich seit dem 12. Jahrhundert vollziehenden Auflösung der Fronhofsverbände zu sehen ist.

Einzelheiten über die Verhältnisse auf den Dietkirchener Gütern in Satzvey sind den ersten urkundlichen Erwähnungen nicht zu entnehmen. Bei dem im Verzeichnis der Rückerwerbungen genannten Hof kann es sich nicht um den in vielen späteren Schriftzeugnissen genannten Fronhof handeln, weil der Hof als „Mansus“ bezeichnet ist. Das ist nämlich die Bezeichnung für eine abhängige Hofstelle. Dagegen dürften sich die ohne nähere Angaben vermerkten Einkünfte in Veie auf den Fronhof beziehen.

Die Frage, ob in dem Verzeichnis alle in der Mitte des 12. Jahrhunderts in Satzvey zu entrichtenden Abgaben enthalten sind, ließ sich nicht klären. Das Kloster könnte durchaus hier noch weitere Güter besessen haben, die ihm nicht entfremdet wurden, und deshalb in dem Verzeichnis über die Rückerwerbungen nicht erscheinen.

Dies ist nach den später feststellbaren Verhältnissen mit größter Wahrscheinlichkeit anzunehmen. [Klaus Krüger]

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